Donnerstag, 27. Januar 2022

r/Antiwork

Heute bin ich traurig.

Obwohl der Grund für meine Traurigkeit auch lustig ist.

Ich weine mit einem und lache mit dem anderen Auge, denn leider wurde soeben eines meiner Lieblingssubbreddits, r/Antiwork, in unterhaltsamer Weise gekillt.

Der Mörder ist -mit Beihilfe des FOX News TV Senders- die non-binary Person Doreen, eine/r der Mods aus dem Reddit-forum r/Antiwork.
Innerhalb von 3 Minuten und 24 Sekunden war der Traum zu Ende. 
Die Hoffnung von 1,7 Millionen Menschen endlich den passenden Hebel gefunden zu haben, somit aufgeschoben.

Fox News beschloss nämlich unlängst die Bedrohung für den Niedriglohnsektor wahrzunehmen und einen Interview Termin mit einem Mod der Reddit-Gruppe zu arrangieren. Hier der Link:


Erholt?

Gut, weiter im Text:
Fox News lud deshalb zum Interview, weil sich über die Plattform Streiks gegen unwürdige Behandlung sowie Bezahlung seitens der Arbeitgeber organisierten. Was sogar recht gut funktionierte und bereits einen gewissen Arbeiterbewegungs-Charme versprühte.
Es führte in einigen konkreten, prominenten Fällen dazu, dass Unternehmen den Lohn anheben mussten, da sich die Gruppe dazu entschloss diese Firmen durch Arbeitskraftentzug zu boykottieren.
Und zwar recht große Firmen wie McDonalds oder Kellogs - keine No Names.

Man würde ja bei 1,7 Millionen Followern annehmen, dass der Subreddit-Sprecher jemand sein sollte, der sich auf ein Interview mit dem rechts-konservativsten Arschloch-Sender, den es auf der Welt gibt, vorbereitet.
Der eloquent ist, der bereits vor Menschen gesprochen oder Medienerfahrung hat und in der Lage ist die grundlegenden Mechanismen, wie Unternehmen in Amerika/auf der ganzen Welt die Arbeitgeber ausbeuten, rhetorisch darzulegen.

Leider geil:
Stattdessen bekommen wir von Doreen zu hören, dass Faulheit eine Tugend ist. Dass er/sie als Gassi-Geher arbeitet und gerne Philosophie unterrichten würde.

Wie oft liest man Witze darüber, dass der durchschnittliche Redditor mitte 30/single ist und noch im Elternhaus wohnt.
Peak redditness also - Sollte jemand sich einen Reddit-Mod vorstellen müssen, dann wäre dies das Ergebnis.

So sad, denn es war nicht mal ein besonders bösartiges Interview. Natürlich ist der Fox-Reporter -wie zu erwarten war- ein anmaßendes Arschloch, dass seine Seele für die Ausbeutung der Menschen verkauft, aber er stellt sehr einfache Fragen und lässt Doreen die Arbeit machen. Ihm muss sonnenklar gewesen sein, dass es Gold für seine Agenda sein wird, wenn er den Reddit-Mod einfach reden lässt.

Diese Art der Community, über die sich das oberflächliche republikanische Amerika lustig macht, ist gleichzeitig das Produkt und der Spiegel des oberflächlichen republikanischen Amerikas.

Es mutet so an, als würde ein Affe auf den Boden kacken, nur um danach mit dem Finger auf den Haufen zu zeigen und ihn auszulachen.

Insgesamt bleibt aus dieser Geschichte Folgendes zurück:
Amerika hat das Riesenproblem der sozialen Ungerechtigkeit. Es tobt ein Klassenkampf der besitzenden gegen die besitzlose Klasse. 
Eine Vision davon, wo es auch in Europa hingeht.

Der demographische Wandel entfacht den Kampf noch mehr. Denn die Gier der Finanzelite, zusammen mit den immer mehr Pensionierten der geburtenstärksten Jahrgänge um 1960 herum, erzeugen eine Personalknappheit im Niedriglohnsektor, auf die das Lobby-regierte Amerika wird reagieren müssen - im Idealfall mit mehr als Hohn und Herablassung.
Man muss wohl kein Experte sein, um zu wissen wie es reagieren wird - nämlich mit noch härterer Ausbeutung, mit noch größerem Druck.

Der Moloch Kapitalismus kennt nur zwei Optionen - Wachstum oder Krieg.
Wie immer wird man es zuerst Wachstum versuchen, also die Menschen mit noch krasseren Mitteln ins Lohnsklaventum zu zwingen - indem man die Preise anhebt, den Leuten die Luft zum Atmen nimmt, in dem man den Narrativ konstruiert, dass die Leute zu faul zum arbeiten sind.

Dass nicht die bislang andauernde Ausbeutung der ultra-kapitalistischen Betriebe in den USA das Problem ist.
Dass es keinen Klassenkampf gibt.
Dass sich bislang diese Ausbeutung nicht nur lediglich durch die Unterdrückung und den Missbrauch der vielen aus der Unter- und Mittelschicht, die sich keine Bildung mehr leisten können, aufrecht erhalten lies.

Doch damit löst sich das Problem nicht - denn diese Mittel- bzw. Unterschicht bricht langsam weg.
Sie können sich keine Kinder mehr leisten.

Dummerweise haben sich die ausbeuterischen Unternehmen damit selbst ins Knie geschossen.
Die Konzepte ihrer Gier sind zu effektiv geworden.
Sie haben es übertrieben.

Wie ein hungriger Hund, der sich selbst in seinem wahnsinnigen Verlangen ein Bein abfrisst.

Denn wer soll denn die Niedrig Lohn Jobs noch machen, wenn die Leute, die in diesen Jobs arbeiten sich kein Eigentum, keine Kinder, keine Selbstbestimmung und kein Glück mehr leisten können.
Ihre Verzweiflung ist so groß, manche begreifen es bereits als letzten Widerstand gegen die Oberschicht, keine Kinder zu haben.
Sie machen ihre begrenzten Möglichkeiten zu ihrer Waffe.
No low-wage-slaves für ihre Unterdrücker.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Das ist vom amerikanischen Traum geblieben.

Verzweifelt, traurig, absurd - Ironie in ihrer Absoluten.

Und FOX News freut sich noch darüber, diese Bewegung in einem
Interview diskreditieren zu können. 
Ebenso einfältig wie deren Opfer, nicht dazu fähig, zu erkennen, dass sie die, über die sie sich lustig machen, die sie so vollständig ausbeuten, so gewissenlos unterdrücken, brauchen.
Denn wenn das Raubtier nur mehr zum Vergnügen tötet, statt aus Hunger, dann werden bald nicht mehr genug Beutetiere da sein, um sich satt zu fressen. 

In ihrer typisch amerikanischen Kurzsichtigkeit, eine Eigenschaft, die allen Narzissten eigen ist, denken sie, dass das nicht ihr Problem ist. 
Dass die Politik schon irgendwoher neue Lohnsklaven für ihre Auftraggeber generieren wird.
Sollte sich diese Einstellung nicht ändern, bleibt irgendwann nur noch Gewalt.

Ob sie die Zeichen der Zeit erkennen?
Wenn Leute wie Doreen das Anliegen von 1,7 Millionen Arbeitern derart schwach darstellen müssen, dann zeigt dies eindeutig wie verzweifelt, wie mittellos und dadurch ungebildet die meisten Amerikaner heutzutage sind. 
Eine sehr gute Grundlage für Eskalation und Krieg.
Es steht zu befürchten, dass Trump nur der Anfang war.

Ob die Mächtigen mit Bürgerkrieg rechnen?
Könnte sein.

Ob sie vorbereitet sind?
Vermutlich.

Ob sie sich über die Unterdrückten auch noch lustig machen?
Sieht so aus.

Ob neoliberale Kapitalisten und Lobbyisten der absolut letzte Dreck sind?
Definitiv.

Geht es im Rest der Welt auch so zu?
Seit den 1970er Jahren, um genau zu sein, seit Nixon den Dollarkurs vom Gold losgeeist hat, haben die Amerikaner alles getan - bestochen, gemordet, denunziert, Offensivkriege geführt - um ihre maximal ausbeuterische und zukunftslose Version des Kapitalismus dem gesamten Globus aufzuzwingen.

Bis auf China und Russland waren sie damit absolut erfolgreich.

Es bleibt also nicht viel mehr zu tun als abzuwarten was die Reddit Community als nächstes für die kleinen Leute aus dem Hut zaubert.

Aufgrund von Subreddits wie r/Wallstreetbets und r/Antiwork kann man Großes erwarten - oder mindestens Unterhaltsames.

Mit freundlichen Grüßen,

Chewie.

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