Mittwoch, 24. Mai 2017

Zwei Punkte für eine Linie

Für eine klare Linie braucht man zwei Punkte. Von mir aus auch zwei grüne. 
Die grüne Partei Österreichs lässt tatsächich schon jahrelang Inhalte schleifen und viele treue Wähler flüchten mittlerweile vor den doppelmoralisch überlegen anmutenden Zeigefingern. Umweltschutz rückte mehr und mehr in den Hintergrund und so verabreichte man seinem Steckenpferd den goldenen Schuss. Und das obwohl Umweltschutz immer noch das wichtigste Thema sein sollte, denn sonst setzt sich kaum jemand dafür ein. 
Natürlich liegt dies nicht allein an der Partei, sondern auch am politischen Wandel der Gesellschaft. Jahrelang missverstand man den Gros der Grünwähler, von denen viele nur mangels an Alternativen ihr Kreuz machten. Man nahm angesichts einer noch nie dagewesenen Stimmanzahl an, auf dem richtigen Weg zu seien und ließ die Parteiführung samt engstem Kreis nach Gutdünken gewähren. Besonderes in der Handhabung mit der nun schon lange andauernden Flüchtlingskrise sehen sich viele Grünwähler in ihren Ängsten nicht mehr ernst genommen.
Nun ist die alternative Partei nach dem überraschenden Rücktritt der langjährigen Obfrau dabei die Scherben aufzukehren. Ihr Grab hatte sie sich bereits vor einem Monat geschaufelt - durch die kompromisslose Hinrichtung ihrer Jugend.
Es muss also ein neues Gesicht her. Oder noch besser: Zwei.
Nachdem Kurz als Bedingung für die Övp-
Obmannschaft eine eigene Liste verlangte, versucht mit den Grünen die nächste Partei einen ungewöhnlichen Führungsstil - mittels Doppelspitze.
Warum auch nicht? So lässt es sich gut widersprechen und die Medien werden ihre helle Freude daran haben, Äußerungen der beiden konträr darzustellen.
Im Fußball war die Formation mit Doppelspitze in den 80ern und 90ern ebenfalls sehr populär, obwohl sie heute etwas aus der Mode gekommen ist. Mit dem Unparteiischen sprach ohnehin seit jeher nur der Kapitän.
Mittlerweile setzt man beim beliebtesten Sport der Welt aus strategischen Gründen mehr auf Flügelspieler, um die gesamte Breite des Feldes zu nutzen. Dies ist, vor allem seitdem viele Felder aufgrund drainage-technischer Überlegungen in der Mitte leicht erhöht sind, sehr wichtig. Ähnlich mutet mittlerweile die Polit-Landschaft an: Verdrossene Wähler in der Mitte, purzeln einfach an den linken oder rechten Rand und können leicht abfließen, sodass sich keine Unmutspfützen bilden. Den Grünen scheint diese Technik nicht völlig nachvollziehbar. 
Felipe, eine ihrer neuen Obfrauen sieht die Mitte des Spielfeldes gar 1 Meter rechts der linken Seitenlinie. So fällt ihr nicht mal auf dass sie Flügelspielerin ist und hält sich für einsame Spitze.
"Ich will noch nicht über meine politischen Ziele sprechen. Ich brauche zunächst etwas Zeit zur Neugestaltung und effektiveren internen Arbeitsorganisation der Grünen. Nur soviel sei gesagt: Es gilt den rechtspopulistischen Parteien Fpö, Spö, Neos, Bzö, Kpö, Övp sowie der Reichsbürgerbewegung Steine in den Weg zu legen. Unsere Doppelspitze ist definitiv mal was anderes und solche One-Man-Shows sind sowieso nicht mehr zeitgemäß."
Die Grünen haben offenbar zwar das Positionsspiel hinsichtlich vieler Parteien etwas aus den Augen verloren, sich jedoch mit Wiedereinführung der Doppelspitze als gewiefte Taktiker erwiesen.
Dies belegt ein Interview Lunaceks, der zweiten grünen-Obfrau:
"Ich wäre gerne in der Champions League geblieben, aber so ist auch gut. In der Bundesliga kann man sich besser entspannen. Hier habe ich kaum Restrisiko. Sollten alle Chancen vergeben sein und wir unter 10% rutschen, kann ich immer noch der Felipe, dem Schiedsrichter oder der Gras die Schuld geben. Hauptsache das Stadion ist halbwegs voll."
Risikomanagement gelernt auf europäischer Ebene. Natürlich ist zu sagen, dass man als gefühlter Europäer mittlerweile einen schweren Stand hat. Vielleicht sollte man einen emotionsfreien, weniger verklärten Blick auf die europäische Union werfen. Damit meine ich weder romantisch noch radikal verklärt, sondern zeit- und realitätsnah. Tatsächlich gibt es in dieser Union nämlich nicht nur Gewinner und eine Jury die alles probiert. Auch wenn der Brexit nach Kurzschlusshandlung riecht.
Die grünen ziehen jedenfalls gerade die Seitenauslinie neu nach und man darf gespannt sein, ob wirklich alles rechts von ihnen rechts ist.
Lunacek ist sich sicher: "Links der Mitte gibt es reichlich Wählerpotential." Sollte dies stimmen, werden diese Horden wohl kaum auf eine Fläche mit 1m Breite passen.

Ermittelte Fragen:
Wo genau liegt heute die Mitte?
Könnte die Unsicherheit beim Definieren der Mitte tatsächlich von Drainage-Techniken herrühren?
Ist geteilte Verantwortung weniger Verantwortung?
Und ist das Ganze tatsächlich mehr als die Summe seiner Teile?

 
Chewie.