Montag, 27. März 2017

Der Prachtclub beschließt zu sterben

Es gibt bekanntlich einen Haufen Lokal-, Restaurant- oder Touristenführer. Nachtclubführer hingegen eher weniger. Noch weniger fürs ruhige Vorarlberg. Das ist auch eine verpasste Chance für Clubbetreiber Feedback zu erhalten. Aus diesem Grund nahm sich aufdenschirm.rocks die Zeit den Status Quo eines der renommiertesten Clubs Vorarlbergs anzusehen: Dem Conrad Sohm.
Ein ehemals grandioser Club, heute immerhin noch eine tolle Location. Ironischerweise leidet er mittlerweile an einer Erkrankung, die im Gastgewerbe oft ein Problem darstellt: er trinkt zu viel und gibt zu selten einen aus. 
Tatsächlich ist er sogar dabei zu ertrinken - an seiner eigenen Raffgier. Eine besonders grausame Todesart.
Langsam, quälend, zagend.
So ist das mit Monopolstellungen...und dieser Nachtclub hat im größten Ballungsraum Vorarlbergs definitiv eine solche inne. Sie lassen einen verdursten, sind der Untergang des Stils - einem nicht unerheblichem Wesenszug der Clubszene. Die Gäste fressen den dazugehörigen Besen. Natürlich sprechen wir hier von einer relativ überschaubaren kleineren Stadt namens Dornbirn und nicht von Berlin, aber ein bisschen stolz waren die Ausgänger in Vorarlberg ja schon auf das Conrad Sohm. 
Warum sollten sie auch nicht? Semi-urbane Siedlungsgebiete haben ebenso ihren Stolz und nicht ausschließlich alle ziehen nur in ruhigere Regionen um Kinder zu kriegen.
Aber zurück zum Stil...
Oft erkennt man Stil an Details:
Gibt es Ohrenstöpsel? Gibt es genug Parkplätze? Ist das Personal kompetent? Sind die Preise ein Kompromiss zwischen Abzocke und Gönnung? Sorgt man sich um die Stimmung?
Solche Dinge sind natürlich schwierig zu bewerkstelligen, mitunter mühsam und für manche Betreiber vermutlich irrelevant. Vielleicht sogar fürs Conrad Sohm, der goldenen Gans. Goldene Gänse laufen bekanntllich gern Gefahr geschlachtet zu werden. 
Was die Besucher davon halten ist Nebensache, die müssen ja sowieso her kommen. Wir sind der Prachtclub ihr Bauern
Zwischendurch wundern sich dann die Betreiber doch mal warum nicht mehr ganz so viele nach Ladenschluss der Stadlokale ins Sohm hinaufschauen. Diese kurze Phase der Selbstreflektion wird dann aber schnell durch Nostalgie verklärt. So fragt man sich wo die guten alten Zeiten hin sind, als man dann noch auf ein Bier hergekommen ist. Dabei vergisst man gern, dass es in der guten alten Zeit ab 2 Uhr bereits keinen Eintritt mehr kostete.
Aber ja, natürlich ist das eine berechtigte Frage und früher war ja immer alles besser. Besonders für Nachtclub-Betreiber.
Nachtclub-Besucher stellen sich hingegen andere Fragen:
Was waren das für Zeiten, als noch internationale Hochkaräter im Conrad Sohm auftraten? Als der Club jedes Wochenende zwei Tage aus den Nähten platzte? Als der Eintritt der Qualität des Gebotenen entsprach?
Heute kostet selbst MC Shuffle 15€ Eintritt.
Es muss wohl stimmen, wenn die 20-Jährigen Mittelfinger in die Höhe reißen und "15€? Fickt euch mann!" rufen. "Kann man sich gerade so 1x im Monat leisten!" (Zitat einer random- Besucherin, um die 20 Jahre alt)
Und das von einer Person die schätzativ erst seit 2 Jahren rein darf, inoffiziell vermutlich seit 4 oder 5 Jahren rein geht. So lange ist das Sohm nun etwa in der Hand seines neuen Pächters: Hannes Haben, einer sympathischen Registrierkasse mit Sinn für Humor.
Warum sonst sollte es wie unlängst eine Modeschau vor ort geben, die mit den Worten "Die Reichen haben euch vergessen" einführt? 
Bei absurd hohem Eintritt stolzierten Models in maßgeschneidertem Zwirn um Mülltonnen. Sollte wohl eine Kritik an der Konsumgesellschaft darstellen. :D
Die Modeschau wurde vorher -wie uns eines der Models verriet- nicht ein einziges Mal geprobt, was wenigstens ein bisschen Unterhalthungswert generierte. Und immerhin waren alle Models tatoowiert.
Vor gar nicht allzu langer Zeit bot der Laden tatsächlich Sub- und Clubkultur, heute jedoch nur mehr Konsum- und Körperkultur. 
So fügte sich ein passendes Bild eines mittlerweile klassischen Abends im Prachtclub:
Übertrieben viel Eintritt, ein Parodieprogramm, das sich als Botschaft tarnt und eine Menge Leute, die Herrn Haben in den Hintern kriechen, damit sie ihre Autos nächstes Mal auf den VIP-Parkplätzen abstellen dürfen. Wobei eigentlich einzig und allein solche Events dort hinein gehören.
An dieser Stelle noch eine kleine Anekdote, um der Rezension noch mehr persönlichen Touch zu verleihen:
Als unser Aufdenschirm-Redakteur selbst einmal einem vorbeifahrenden Auto auf Nachfrage das Sperrgitter zum Promi-Parkplatz auf die Seite stellte, kam ein verwunderter Security auf ihn zu und fragte, was ihn zu der Annahme veranlasse, er könnte die Sperre aus Eigeninitiative zur Seite stellen. Unser Redakteur antwortete daraufhin wahrheitsgemäß, dass der Fahrer des nach hinten gefahrenen Wagens ihm mitgeteilt habe, er wäre ein enger Freund des Clubbetreibers und dürfe das. Einige Sekunden waren die Gesichtszüge des Wachhundes eingefroren. Er wägte ab ob er der Sache mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Doch kurz darauf schüttelte der Aufpasser resignierend den Kopf - „Ach macht doch was ihr wollt, bei der Freunderlwirtschaft mittlerweile kenn ich mich nicht mehr aus“ und ging von Dannen. Später solidarisierte sich unser Redakteur noch mit dem sichtlich aufgebrachten Mann und spendierte ihm zur Frustbewältigung eine Zigarette.
Tatsächlich macht die Befremdung, die dieses elitebewusste Businessmodell auslöst, ebenso wenig vor der Belegschaft wie vor vielen der Besuchern halt.
Ob man eine Monopolstellung als der einst beste Club Vorarlbergs noch lange so ausnützen kann ist also die Frage. Wir sind jedenfalls gespannt ob dies von Dauer ist und wie spät es wird. Nur eines scheint sicher: Egal welche Uhrzeit, Eintritt kostet es vermutlich immer.


Chewie.